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Predigt am 3. Juli 2016 - Pastor Stephan Uter

Predigt am 3. Juli 2016 
– 6. Sonntag nach Trinitatis – 
in der Philemon-Kirche – Pastor Stephan Uter

Predigttext: Römer 6, 3-5+8

Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? 
So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln.
Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleich geworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. 
Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt! Amen
 

Liebe Gemeinde,

wenn wir den Eltern sagen würden, dass wir Euch ungetaufte Konfirmanden in der kommenden Woche in den Tod taufen würden, dann hätten sie vielleicht doch einige Bedenken. Doch keine Angst, wir suchen in dem Flüsschen Este nicht den Tod, sondern im Gegenteil: Aus dem symbolischen Verständnis von Tod und Auferstehung – dass im Taufritus mit „Ertrinken” und wieder aus dem Wasser auftauchen zum Leben „auferstehen” nachgebildet wird – möchten wir Euch einen geistigen Schlüssel mitgeben: Einen geistigen Schlüssel für euer Herz, der euch am Ende jeder Sackgasse des Lebens eine Tür zu einem neuen, befreiten Leben öffnen kann. Denn das ist Taufe, ein Ritus, in dem uns diese Zusage für immer gegeben wird: Du wirst trotz allen Verlorenheiten neu anfangen dürfen. Anfangen, wie neugeboren, auch wenn du schon ein Greis geworden bist. Diese Kraft Gottes weckt die Taufe in dir, und sie verlässt Dich für keinen Moment dieses Lebens – wie es in dem Taufauftrag Jesu heißt: Ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Nun mag dies für Euch junge Menschen, ihr lieben Konfirmanden, ein fernes Thema sein – obwohl ihr vielleicht auch schon bemerkt habt, dass ihr eigentlich in genau so einer Situation eines möglichen Neuanfangs steckt: denn die Kindheit, dieses Stückchen, das uns als Paradies ins Leben scheinen mag, geht nun vorüber – und ihr wachst in das Jugendlichenalter, in ein ganz neues Leben hinein.

Wie viele von uns Erwachsenen aber, dass könnt ihr uns glauben, sehnen sich danach, das eigene eingefahrene Leben noch einmal neu zu beginnen:

Weil es nicht selten so sehr geprägt ist von Versäumnissen und Fehlern, von falschen Entscheidungen oder auch schlicht von lähmender Eingefahrenheit und Enge. Oder von Schuldgefühlen und Belastungen, die uns schon als Kindern auferlegt sind, und die uns von innen zu ersticken drohen.

Wie furchtbar wäre es dann, wenn wir meinen, es wäre unkorrigierbar, festgelegt für immer!

Davor liegen oft viele Versuche, liebe Schwestern und Brüder: Versuche, das Leben selbst neu beginnen zu lassen, sich neuem zuzuwenden oder einfach auch nur dem alten auszuweichen. Einige von uns fallen auf, dass sie meinen, gerade jetzt ihren neuen Weg zu einem freien und glücklichen Leben gefunden zu haben – was allerdings wenig vertrauenserweckend erscheint. Etwa, wenn wir ahnen, zwei Monate später wird es wieder irgendwas ganz anderes sein, wo dann wieder alles genau richtig und gut werden soll.

Ich denke an manche aufgegebene Ehe – und dem Versuch, in einer neuen dann das Glück zu finden. Doch wie bitter ist es, wenn wir uns auch in der neuen wieder selbst begegnen, und merken, wie wir uns wieder aus den gleichen Gründen selbst im Weg stehen und noch einmal in der Sackgasse zu stehen scheinen.

Ich will keine Hoffnungslosigkeit verbreiten, liebe Gemeinde – doch wie wenig wir realistisch in der Lage sind, über uns selbst hinaus zu wachsen und tatsächlich neu anzufangen, nämlich anzufangen in – und mit uns selbst, ist oft beschämend und demütigend.

Plötzlich begegne ich dem verhassten wunden Punkt, den ich schon bei meiner Mutter oder bei meinem Vater als so lähmend erlebte – mitten im eigenen Charakter.

Solche Einsichten sind schmerzhaft, verletzend. Sie brechen unser Selbstbild, wenn wir ihnen nicht einfach ausweichen – in ständiger Aktivität um neue Wege und angeblich grandioser Ideen. Oder in jammernder Schwarzseherei die Augen verschließen: Mir ist ja doch nicht zu helfen, ich mach einfach irgendwie weiter in meinem Unglück. Die Welt ist ohnehin schlecht. Auch da kann man sich ja ganz gemütlich einnisten.

Der Neuanfang der Taufe denkt anders. Paulus sagt, das Alte muss sterben. oder besser: Das alte, verwundete und mit Dreck verklebte Ich darf sterben. Damit Neues aufwächst.

Eine unfassbar tröstliche Botschaft.

Vor allem für alle, die meinen, sie haben keine Alternative als das, was ist.

Sterben. Sterben und Leben aus dem Tod: Das ist die Grundstruktur allen christlichen Denkens und Fühlens nach dem Weg Jesu durch Kreuz und Auferstehung. Es ist ein geistlicher Vorgang, liebe Schwestern und Brüder, in dem ich in den Sinn der Taufe hineinkomme: Sterben, das heißt hier: Sich zuerst einmal selbst in Frage stellen lassen von dem Gott Jesu her, von dem Gott, der mich geschaffen hat und fragt: Bist du noch der, zu dem du geschaffen worden bist? Weißt Du, wer du bist? Was sind deine Wünsche? Und was brauchst Du wirklich? Findest Du Frieden mit Dir und dem Nächsten? Bist DU bereit, dich zu ändern – oder: Warum nicht? Auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters. Und Jesus fragt: Was möchtest Du, dass ich an dir tue? Aus sich heraustreten, sich in Frage stellen lassen vom liebenden Vater her.

Das ist eben nicht mit Gewalt selber irgendwelche alten Formen zerbrechen um noch einmal alle Kräfte zusammenreißen zu einem neuem – Weiter-machen.

Es bedeutet vielmehr: Loslassen. Sich selbst loslassen. Inne zu halten, stille zu werden und zu schauen, was hat Gott mit mir vor. Und mit Jesus, darum ist die Beschäftigung mit dem Weg Jesus so wichtig: Mit Jesus den Weg zu suchen, der alles in allem, durch Leben, Schmerz und Tod hindurch Stück und Stück und immer mehr auf Vertrauen setzt. Das Vertrauen, von dem Bonhoeffer sagte: Ich glaube, dass Gott auch aus dem Bösesten Gutes entstehen lassen kann und will.

Das, liebe Schwestern und Brüder, bedeutet Demut – lateinisch Humilitas.

HUMILIS = gering, niedrig, flach, – das Wort Erdboden – oder HUMUS kommt daher: Ein wirklich neues Leben wächst aus dem Humus des alten. Aus dem zerbrochenen, gestorbenen, verfaulten und zu Erde gewordenen alten Leben.

Wie viele Brüche, Traumata, Verletzungen, Abnutzungen und Verwitterungen brauchen wir, bis wir das Alte zu Humus kompostieren? Aus dem neues Wachsen kann? Wir müssen es lassen – begraben, kompostieren – mit Zeit, und Wasser – auch das ist Taufe. Taufe, die etwas in uns anstößt, ist ein lebenslanger Prozess des Loslassens, Sterbens und Neuwachsens am Bild Jesu.

Lied mit der Gemeinde EG 98: Korn das in die Erde

1. Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt,
Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt –
Liebe lebt auf, die längst erstorben schien:
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

2. Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab,
wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab.
Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn?
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

3. Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn –
hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien:
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

Liebe Schwestern und Brüder, so viele zweifeln an der möglichen Wirksamkeit des Glaubens für ihr Leben. Doch das ist ein Irrtum, wenn wir auf nur wenige Symbole des Glaubens schauen, wird es sichtbar: Aber ist das Vertrauen, dass wir von Gott gewollt und geschaffen sind – und nicht nur aus uns selbst – nicht schon ein Grund, in dem Hoffnung wurzeln kann? Wenn ich von und für ihn da bin – und nicht einfach zufällig so? Und dass mir gesagt ist, dass Gott mir vergibt, mich mit allen meinen Fehlern liebt, wie kein Mensch lieben kann, ist das nicht ein Dünger für neue Lebenskraft? Ist nicht der Mensch Jesus mit seiner herzlichen Zuwendung zu jeden verlorenen Menschen eine Wirklichkeit Gottes unter uns – und eine Hoffnung auch für meine eigene Verlorenheit?

Warum nicht?

Die Symbole des Glaubens, seine Bilder und Geschichten, sind wie ein Frühlingsregen in dem die begrabenen Saaten in uns aufgehen und bis zur Blühte wachsen, die wir hier, unter uns sehen können: Im Miteinander seiner Gemeinde, in der Traurige getröstet, Einsame besucht und jeder noch so Verlorene eingeladen ist, in die Gemeinschaft zu kommen – und zu sehen, das aus der Stille dieser Taufe das Leben wächst:

Wie es lange vor Jesus durch Jesaja (Kap 43,16ff) verheißen war:

16 So spricht der HERR, der im Meer einen Weg und in starken Wassern Bahn macht,

18 Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige!

19 Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht?

Amen