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Gerechtigkeit Gottes (Peer Lichtenberg)

Ein zentraler Begriff der Menschheit ist Gerechtigkeit. Schon für Aristoteles ist sie das, was dem Einzelnen wie der gesamten Gemeinschaft zugute kommt. Bis heute ist der Ruf nach Gerechtigkeit in Verbindung mit der Frage, was denn gerecht sei, aktuell - so etwa in der Debatte um Mindestlöhne oder die angemessene Bestrafung von Straftätern.

Nach meiner Wahrnehmung gibt es heute im Wesentlichen zwei grundlegende Verständnisse von Gerechtigkeit - die ′zuteilende′ (jeder solle das bekommen, was er verdient) und die ′ausgleichende′ Gerechtigkeit (alle zur Verfügung stehenden Güter sollen möglichst gleichmäßig verteilt werden).

Nach diesen Maßstäben empfinden wir unsere persönlichen Lebensumstände ebenso wie die globalen Verhältnisse häufig als ′ungerecht′ und landen mit dieser Wahrnehmung früher oder später bei Gott. Was sagt die Bibel dazu? Gibt es so etwas wie ein biblisches Gerechtigkeitsverständnis, das für Christen richtungweisend sein kann?

Gerechtigkeit ist für das Alte Testament zuallererst eine Eigenschaft Gottes, er ist der Gerechte, er ist unbeeinflussbar und heilig. Was Gott tut, ist gerecht, auch dann, wenn die Richtigkeit seines Handelns nach menschlichen Maßstäben uneinsichtig bleibt. Der Mensch ist dann gerecht, wenn er nach Gottes Geboten lebt. Gerechtigkeit erwächst aus der Gottesbeziehung. Rechtsbeugung und Ungerechtigkeit hat letztlich ihre Ursache in einem Mangel an Gottesfurcht. So sagt der Prophet Amos (5,6) im Alten Testament „Suchet den Herrn, so werdet ihr leben.”

Im Neuen Testament geschieht ein entscheidender Wandel. Nach Tod und Auferstehung Jesu Christi ist Gerechtigkeit nicht mehr Pflichterfüllung des Menschen gegenüber Gott und den Nächsten - eine Aufgabe, bei der wir immer wieder versagen -, sondern ein Geschenk Gottes. Weil wir immer hinter dem zurückbleiben, was gerecht ist, und so ins Verderben laufen, nimmt Gott einen grundlegenden Tausch vor: Im Kreuz Jesu Christi trägt er unser Versagen und überträgt uns seine Gerechtigkeit. Gott fordert nicht Gerechtigkeit, sondern macht den Sünder gerecht. Gerechtigkeit ohne Gott ist auch für das Neue Testament nicht denkbar.

Wo Menschen diese Wahrheit erkennen und sich darauf einlassen, entsteht Glaube im christlichen Sinne. Gott hat uns gefunden, darum leben wir. Solcher Glaube verändert und wirkt sich aus - und sei es nur in stammelnden Versuchen.

Peer Lichtenberg

Wir verkaufen keine Früchte (Barbara Hanzig)

Wir verkaufen keine Früchte

Konfirmationskreuz zum UmhängenEr betrat den Laden. Hinter der Theke sah er einen Engel. Hastig fragte er ihn: ‚Was verkaufen Sie, mein Herr?’ Der Engel gab ihm freundlich zur Antwort: ‚Alles, was Sie wollen.’ Der junge Mann sagte: ‚Dann hätte ich gerne: das Ende der Kriege in aller Welt, Beseitigung der Elendsviertel in Lateinamerika, Ausbildungsplätze für Jugendliche, mehr Zeit der Eltern, um mit den Kindern zu spielen, und, und … ’ Da fiel ihm der Engel ins Wort und sagte: ‚Entschuldigen Sie junger Mann, wir verkaufen hier keine Früchte, sondern nur den Samen.’

„Wir verkaufen nur den Samen” könnte als Überschrift über dem Konfirmandenunterricht stehen. Ein Jahr lang haben junge Menschen die Gelegenheit, sich mit dem christlichen Glauben und ihren eigenen Vorstellungen von Gott auseinanderzusetzen. Dabei wird etwas in sie hineingelegt, das sich noch weiterentwickeln, das durch die Stürme des Lebens und die glücklichen Momente hindurch wachsen kann.

So heißt eine Frage bei der Konfirmation: „Wollt ihr in diesem Glauben bleiben und wachsen ...?” Die Antwort bedeutet doch nichts anderes als: „Ja, ich möchte mich auf den Weg machen, meine eigenen Erfahrungen mit Gott zu sammeln. Ich möchte ’dranbleiben’, mich weiter mit Fragen des Glaubens auseinandersetzen. Ich möchte so leben, dass es anderen dient, so wie Jesus es vorgelebt hat.” Die Konfirmation ist die Entscheidung zu einem selbstverantworteten Glauben innerhalb der Kirche.

Dass die Jugendlichen längst damit angefangen haben, zeigen Gedanken zu ihrem persönlichen Glauben: „Gott ist immer für mich da, wenn ich ihn brauche. Vor Gott brauche ich mich nicht zu verstellen, er liebt mich so wie ich bin. Es gibt aber auch Sachen in der Bibel, an die ich nicht glaube. Gott ist für mich so etwas wie ein guter Freund. … ”

Für diesen Weg mit Gott könnte der Konfirmationssegen bedeuten: Gott möge deinem Lebensweg Gelingen und Erfüllung schenken und Glück, aber auch Halt in schweren Situationen. Das wünschen wir allen, die in diesem Jahr konfirmiert werden.

Pastorin Barbara Hanzig

 

Gedanken zum Ewigkeitssonntag (Barbara Hanzig)

Kreuz auf der Gedenkstätte Ibbenbüren-RiesebeckIn der trüben Jahreszeit stellt uns die Natur immer wieder die Vergänglichkeit des Lebens vor Augen. Das bunte Herbstlaub kann nur für Momente darüber hinwegtäuschen, dass etwas zu Ende geht. Wir spüren, der Endlichkeit müssen wir uns stellen. Den Tod können wir nicht verbannen.

Noch heute finden wir in Deutschland Dörfer, in denen der Tod mitten in die Gemeinschaft hineingehört. Wenn ein Mensch stirbt, erklingt zuerst die Kirchenglocke. So hören alle, was passiert ist. Da man weiß, wer im Sterben lag, kann jeder die trauernde Familie sofort besuchen, seine Anteilnahme ausdrücken und von dem Toten, der zu Hause aufgebahrt liegt, Abschied nehmen. Später sind die direkten Nachbarn und natürlich auch die jungen Männer des Ortes Sargträger auf dem Friedhof, und die Nachbarsfrauen sorgen für den Kuchen beim ′ Leichenschmaus′. So hat jeder seine besondere Funktion, ist beteiligt und entlastet die Familie in der Zeit des Abschieds und der Trauer.

Auch in Hamburg entdecken manche Familien neu, wie gut es tut, wenn der Verstorbene noch ein paar Stunden im Haus bleibt. Die Familienmitglieder versammeln sich um den Toten, erzählen einander, was ihnen dieser Mensch bedeutet hat, was sie am meisten vermissen werden, weinen gemeinsam und erfahren die tragende Kraft der Gemeinschaft. Das Gesicht des Verstorbenen verändert sich mit der Zeit; oft zeigt sich in seinen Zügen ein Ausdruck tiefen Friedens. Vielleicht deutet sich darin an, was der Theologe Heinz Zahrnt gesagt hat: „Der Tod setzt einen Punkt hinter mein Leben, aber Gott macht daraus einen Doppelpunkt.”

Aus dem Ende kann Gott einen neuen Anfang schaffen. Darum entlassen wir einen Verstorbenen mit den Worten „Der Herr behüte seinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit.” (Psalm 121)

Patorin Barbara Hanzig

Sagt, wer kann den Wind sehn? (Anna Henze)

Sagt, wer kann den Wind seh'n?

… Niemand kann ihn sehn; aber wenn wir lauschen, hören wir sein Wehn.

So heißt es in einem schwedischen Kirchenlied*. Ein leichter, frühlingshafter Wind, der die Blätter in den Bäumen leise rascheln lässt. Hören kann ich ihn – jedoch nur, wenn ich genau hinhöre. Spüren kann ich ihn – als sachtes Streicheln im Gesicht oder leichtes Wehen in den Haaren.

Wer kann Gottes Geist sehn? Niemand kann ihn sehn; doch wer auf ihn wartet, lernt ihn wohl verstehn.

Wind, Hauch, Atem, Geist, Geist Gottes, ... im Hebräischen – der Sprache des Alten Testaments – wird all dies mit demselben Wort bezeichnet: „ruach“. Den Geist Gottes kann ich genauso wenig sehen wie den Wind. Und doch ist er da! Ich kann ihn suchen, auf ihn warten, ihn hören und fühlen.

Er tut große Dinge, lehrt uns Gott vertraun, dass wir glauben können, ohne ihn zu schaun.

Als ein Suchen nach Gott und seinem Geist – so verstehe ich auch die Konfirmandenzeit. Gemeinsam horchen Mädchen und Jungen auf das Wehen des Geistes. Und der Geist Gottes weht, wo er will – in mir selbst oder im Miteinander, im Verliebtsein oder in der Natur.

Jesus sagt uns allen: „Bittet Gott, den Herrn, dass er euch den Geist gibt, und er gibt ihn gern.“

Nach einer Zeit des Suchens und Fragens ist die Konfirmation dann eine „offizielle“ Bitte, die lautet: Gott, schenke mir deinen Geist. Und besonders schön ist, dass Jesus uns verspricht: Gott erfüllt diese Bitte gerne! Und auch die Konfis geben Gott mit ihrer Konfirmation ein Versprechen, das lautet: Ich werde weiter suchen, weiter horchen auf das Wehen des Windes und lauschen auf den Geist Gottes.

Anna Henze

* Hilde Möller nach dem Schwedischen „Vinden ser vi inte“ von Anders Frostenson 1958, 1973

 

Die Taufe (Barbara Hanzig)

„Ich werde heute getaucht“, sagte ein Kind ganz stolz kurz vor seiner Taufe. Das Wort „tauchen“ war dem Kind wohl vertrauter als das Wort „taufen“. Dabei hat es aber etwas Wesentliches verstanden: Die Taufe hat etwas mit Wasser zu tun.

Wasser ist nicht nur das chemische Molekül H2O. Die Bedeutung des Wassers hängt mit den Erfahrungen zusammen, die Menschen immer wieder mit ihm machen. Wer in einem Boot sitzt, erfährt die tragende Kraft, kommt aber ein Sturm auf, wird das Bedrohliche des Wassers spürbar. Aus dem Wasser entsteht Leben, es kann aber auch Leben zerstören – wie es in Japan gerade viele Menschen erleben mussten. Wer sich nach einer anstrengenden Wanderung unter die Dusche stellt oder ein Glas Wasser trinkt, erfährt, wie belebend und reinigend das Wasser ist.

Diese Bedeutungsvielfalt spiegelt sich auch in der Taufe. Früher, als die Menschen bei der Taufe noch ganz untergetaucht wurden, wurde deutlich: Hier geht etwas unter. Alles, was Menschen trennt von der Quelle des Lebens, von Gott selbst, soll sterben, damit ein neues, erfülltes Leben unter dem Schutz Gottes und in der Beziehung zu ihm beginnen kann. Symbolhaft „reinigt“ das Wasser in der Taufe den Menschen von allem, was an Negativem, Dunklem und Schuld in ihm ist. Gott vergibt und trägt die Schuld nicht nach. In der Taufe verspricht Gott, den „Täufling“ zu begleiten, ihn auch durch die Stürme des Lebens hindurch zu tragen und ihm immer die Kraft zu geben, die er braucht, damit er gestärkt und zuversichtlich seinen Weg gehen kann.

Oft werden Kinder in den ersten Lebensjahren getauft. Die Eltern entscheiden, dass ihre Kinder zu Gott und zur Kirche gehören sollen. Für alle gibt es dann die Möglichkeit, sich im Konfirmandenunterricht mit dem Glauben selber auseinanderzusetzen und sich für ihn zu entscheiden. Die einen bestätigen dann im Konfirmationsgottesdienst, was ihre Eltern einmal für sie entschieden haben, andere werden kurz vor oder im Konfirmationsgottesdienst getauft. Wieder andere lassen sich als Erwachsene taufen, weil sie erst später entdeckt haben, dass der Glaube ein wichtiger Teil ihres Lebens sein soll.

tauffische fretwurst 02345

In der Marktkirche wird für jeden Täufling ein Holzfisch an ein blaues Brett genagelt. Der Fisch erinnert daran, dass das älteste christliche Symbol nicht das Kreuz, sondern der Fisch war. Jeder Fisch – von Eltern, Geschwistern oder Paten gestaltet – sieht anders aus. Ebenso unterschiedlich sind die Menschen in der Gemeinde, und doch gehören sie zusammen zu dem einen Gott und zu einer Gemeinschaft.

„Ich werde heute getaucht“, sagte das Kind. Recht hat es! Es taucht in der Taufe ein in die Liebe Gottes und in die Gemeinschaft der Christen.

Barbara Hanzig